Kategorie: Spieletest

[Spielbericht] So nicht, Schurke!

Worum geht’s

Vor ein paar Monaten habe ich mit meiner Tochter das erste Mal probiert, ein Pen & Paper Rollenspiel zu spielen. Zu dem Zeitpunkt kannte ich noch keine kommerziellen Produkte, die einem den Einstieg leichter machen würden und so freute ich mich umso mehr darüber, eine Inspiration bei Michael zu finden. Ein kleiner Spielbericht ist bei uns hier zu finden. In der Zwischenzeit habe ich viel recherchiert und bin so mehr oder weniger zufällig auf “So nicht, Schurke!” gestoßen.

Bei “So nicht, Schurke!” handelt es sich um einen erfolgreichen Kickstarter aus dem Jahre 2016. Im Original heißt das Spiel “No Thank you, Evil!” und richtet sich insbesondere an das jüngere Publikum. Das bedeutet, dass Du dieses Rollenspiel bereits mit Kindern ab fünf Jahren spielen kannst.

Dieser Post ist übrigens weniger als eine Rezension als denn mehr als eine Mischung aus Meinung und Spielbericht zu verstehen. Strukturierte Rezensionen gibt es für “So nicht, Schurke!” wie Sand am Meer; vielleicht interessiert Dich daher ein vollkommen ungefilterter Bericht von jemandem, der tatsächliche Erfahrungen mit dem Spiel gemacht hat – und meine Gedanken dazu.

Meine Meinung

Obwohl ich in einigen Rezensionen davon gelesen hatte, dass in den sog. Erweiterungspaketen Materialien enthalten seien, die sinnvollerweise bereits im Grundspiel hätten dabei sein sollen, hatte ich mich dazu entschieden, dennoch zunächst darauf zu vertrauen dass die Macher alles Wesentliche dem Grundspiel beigelegt hätten. Gesagt, getan – und ich war total begeistert, als es endlich ankam! Die Verpackung ist sehr hochwertig, farbenfroh und auch der Inhalt wirkte mit dem Regelwerk, dem Abenteuerbuch, den vielen Markern und Karten sehr hochwertig auf mich.

Allerdings ist es auch so, dass ich keine wirklichen Erfahrungen mit Pen & Paper habe – bis auf die vielen YouTube-Videos, die ich gesehen hatte. Allerdings kennen diese Spieler ihre Regelwerke immer schon in- und auswendig. Ich durfte mich erst einmal sehr intensiv damit auseinandersetzen.

Die Herausforderung: Obwohl immer wieder betont wird, dass einem das Buch durch alle Schritte führt, um sofort als Erzähler loslegen zu können, empfand ich das nicht einmal ansatzweise so. Zeitweise habe ich mich in die Vorlesungen meines Studiums zurückversetzt gefühlt, als in Mechanik 1 Formeln Verwendung fanden, die erst in Mathematik 4 erläutert werden würden.

Lauter Fragezeichen

Und so entstanden beim Lesen des Regelwerkes laufend Fragezeichen, die erst später aufgelöst wurden. Dafür wurden aber diverse Passagen mit mehr oder weniger gleichem Wortlaut mehrfach wiederholt. Das machte es für mich nicht nur schwer, mir im Kopf eine Strategie auszumalen, sondern auch während des Spiels zu wissen, wo ich im Zweifel nachschlagen kann.

Meine Tochter ist inzwischen sechs Jahre alt und da sie auch noch nicht so Pen & Paper erfahren ist, habe ich mich dazu entschieden, das mitgelieferte Einstiegsabenteuer auf der niedrigsten Schwierigkeitsstufe zu spielen. Das bedeutet im Grunde genommen, dass einige der Regeln nicht angewandt werden (müssen). So dienen ausgewählte Begleiter beispielsweise nur “zur Unterhaltung”, erfüllen aber keinen wirklichen Zweck. Damit fallen Tricks und Leckerlis für die Begleitwesen weg.

Im Abenteuer-Buch hieß es zudem, für das Spiel inkl. Vorbereitung seien 30 bis 60 Minuten veranschlagt. Es sei an dieser Stelle vorweggenommen, dass wir über zwei Stunden (!) gespielt haben… und wir waren bloß zu dritt!

Ein wichtiger Teil von “So nicht, Schurke!” ist die Möglichkeit der Zusammenarbeit. Macht ein Spieler schlapp, oder fehlen ihm Punkte für einen erfolgreichen Sieg, kann ein Mitspieler “fabelhaft” sein, und ihm helfen. Das funktioniert natürlich nur, wenn es Mitspieler gibt und so haben wir eine Freundin meiner Tochter eingeladen. Sie ist bereits sieben, kommt in die zweite Klasse und hat ebenfalls keine Erfahrungen mit Pen & Paper.

Um selbst so gut wie möglich vorbereitet zu sein, hatte ich zuvor den Ernstfall geprobt. Vor einiger Zeit hatte ich aus einer Laune heraus mal einen Gamemaster-Screen gebastelt, hinter dem ich Material zum Spiel vor den Spielern verstecken kann, oder nur für mich die vollständige Karte sichtbar angetackert ist. Außerdem stellte sich heraus, dass vieles an Material entweder im Regelwerk oder im Abenteuerbuch abgedruckt war, aber nicht als Handouts im Grundspiel mitgeliefert wird. Da ich als Erzähler laufend beides brauchte, um die Geschichte erzählen zu können, habe ich also vorher alles kopiert und bereitgehalten.

So konnte ich während des Spiels die Sachen auf den Tisch legen. Zunächst einmal wurden aber die Charakter-Bögen ausgefüllt – und allein der Teil hat fast eine dreiviertel Stunde gedauert! Die beiden Mädchen mussten erst einmal alle auswählbaren Charaktere kennenlernen, um sich entscheiden zu können. Dann wurde gemalt, geschrieben, ausgedacht, Begleiter gewählt, noch mehr gemalt, noch mehr geschrieben, verstanden, was die Zahlen bedeuten, Marker sortiert, usw. usf.

Das Spiel

Doch irgendwann waren wir damit endlich fertig und die Geschichte konnte beginnen. Dachte ich. Denn der Hilferuf der Bienenkönigin kam per Postkarte und natürlich wollten die Mädchen versuchen, diese selbst zu lesen. Das artete in eine Geduldsprobe für mich aus, die ich so nicht erwartet hätte. Als das Spiel dann tatsächlich losging, waren die beiden aber total drin.

Es hat ihnen Spaß gemacht, die Welt “Im Schrank” zu erkunden und es kamen Dialoge zustande, die ich nicht vorhergesehen hätte. Angefangen bei der Diskussion, wie es wohl wäre, wenn man tatsächlich in den Schrank ginge, dann aber statt in Fabula zu landen, einfach gegen die Rückwand stieße bis hin zu Überlegungen, wie man das Ziel der Mission – ein ziemlich seltsames Wesen – mit Zauberei und Magie aus einem Käfig befreien könne… wobei nie von einem Käfig die Rede war.

Was mich irritierte: Es gab praktisch nie eine Probe, die nicht auf Anhieb bestanden wurde. Das mag daran liegen, dass die Zielzahlen fast immer bei einer zwei lagen und die Mädchen meist Glück hatten. Es gab nie Schadenspunkte und im Zweifel wurde sich gegenseitig mit einem Fabelhaft-Punkt ausgeholfen.

Die Theorie

Auch war das Abenteuer an sich viel zu simpel gestrickt und ich musste es als Erzähler künstlich in die Länge ziehen – dachte ich. Vereinfacht gesagt geht die Geschichte in etwa so: Der Bro von der Königin ist in einer Höhle auf der Suche nach glänzendem Kram verschollen. Bei der Höhle handelt es sich der Sage nach um einen versteinerten Drachenkopf, aus dessen Nasenlöchern nun Wasser zu einem Wasserfall zusammenfließt. Hence the name: Drachenrotzfälle. Natürlich führt nur ein Weg hin: Über eine wackelige Hängebrücke. Davor steht – warum auch immer – ein Apparat mit drei Knöpfen, die bunt aufleuchten. That’s basically it.

Natürlich gibt es hier und da noch ein paar Randinformationen und wer die Geschichte komplett spielt, wird an der Brücke die Knöpfe in der richtigen Reihenfolge drücken, von einem komischen Froschwesen die Zukunft erzählt bekommen, sicher über die Brücke rennen, sich idealerweise erst einmal – trotz Warnungen – falsch entscheiden und ins rechte Nasenloch laufen, sich mit einem Pilz anlegen, als Fabelwesen die Nase wieder verlassen, sich zurück verwandeln, dann ins linke Loch laufen, irgendwas tun, um die fiesen Hexen einzuschüchtern, die den Typen gefangen halten und mit dem dann schlussletztlich abhauen und dann abfeiern.

Die Praxis

Die Sache mit dem “Wahrsager” hat meine beiden kaum interessiert und so richtig haben sie die Infos auch nicht verarbeitet. Auf den Pilz wollten sie direkt mit ihren Fernkampfwaffen losgehen und den Hexen haben sie dann einfach was vorgegaukelt. Zwischendurch gab es auch ordentlich Gezanke, weil sie sich ständig gegenseitig ins Wort fielen und mir fiel es zugleich nicht selten schwer, die Geschichte aufrecht zu erhalten, weil ich – trotz der Vorbereitungsabende – ständig in den Büchern hin- und herblättern musste.

Das alles liest sich jetzt sicher nicht allzu positiv. Hier ist aber die Sache: Die Kinder hatten unfassbar viel Spaß! Für die beiden war es das Tollste, sich ihre Charaktere auszumalen und dann auch zu Papier zu bringen. Auch machte es echt Freude, den beiden dabei zuzuhören, wie sie sich Lösungen für die Herausforderungen im Abenteuer überlegt haben. Wenn es zwischendurch mal Stresspunkte gab, dann sicherlich vor allem deshalb, weil mir die Erfahrung fehlte. Das tat dem Spielspaß letzten Endes aber keinen Abbruch: Nach unserer Runde erklärte die Freundin meiner Tochter, das sei das tollste Spiel, das sie jemals gespielt habe und ihre Eltern sollten es auf jeden Fall auch kaufen.

Kritiker des Spiels weisen darauf hin, dass es keine wirklichen Handouts gäbe, ein Spielleiter-Schirm fehle und die Macher dem Grundspiel zu wenig Marker spendiert hätten. In der Theorie kann ich das bestätigen. In der Praxis aber habe ich meinen selbst gebastelten GameMaster-Screen schnell beiseitegelegt, da er im Weg stand und mich auch zu sehr von den Mädchen trennte. Aufgrund der Einfachheit – zumindest diesen Abenteuers – gab es auch mehr als genug Marker und was die Handouts betrifft: Wie schon geschrieben habe ich einfach ein paar Kopien angefertigt.

Im übrigen hätte es auch gereicht, so etwas wie eine Karte einfach aufzumalen. Was spätere, vielleicht eigene – Abenteuer betrifft, wird das vermutlich sowieso genau so ablaufen.

Mein Fazit

Und das ist ebenso ein wichtiger Punkt, falls Du – genau wie ich – keine Erfahrungen mit Pen & Paper hast und mit dem Gedanken spielst, “So nicht, Schurke!” zu kaufen: Es werden “nur” drei Abenteuer im Grundset (ausformuliert) mitgeliefert. Zwar gibt es noch mehr in den Erweiterungen, aber das ist nicht zu vergleichen mit etablierten Regelsystemen, zu denen es laufend neue Quests gibt oder Fans auf verschiedenen Plattformen selbst PDFs veröffentlichen. Das bedeutet: Hast Du die mitgelieferten Abenteuer durch, gilt es, sich selbst welche auszudenken. Kannst Du das nicht, würde ich das Spiel nicht empfehlen. Denn während man mit einem einzigen Set Mau-Mau Karten bis an sein Lebensende immer wieder spielen kann, wäre “So nicht, Schurke!” sonst spätestens nach diesen drei Abenteuern vorbei.

But fear not! Das mitgelieferte Material enthält sehr viele Beschreibungen zu Fabula, dem “Land nebenan” und dessen Reiche inkl. der dort hausenden Kreaturen und auch möglicher Hilferufe. Das bedeutet, dass es zu allen Orten im Regelwerk Abschnitte mit der Überschrift “Lösung gesucht!” gibt, aus denen sich eigene Abenteuer erzählen lassen.

Die im Grundspiel ausformulierten Abenteuer dienen daher erst einmal nur als Starthilfe, um eine Idee davon vermittelt zu bekommen, wie dieses Rollenspiel funktioniert und vor allem die Welt rund um Fabula. Danach beginnt der Spaß erst wirklich.

Ich selbst brauche nun erst einmal eine kleine Verschnaufpause. Obwohl der Tag viel Spaß gemacht hat, empfand ich das Spiel auch als sehr anstrengend.

Spielen wir es wieder?

Auf jeden Fall!

Ritterin Elisa und Ritter Bogo retten die Tochter des Königs aus den Klauen des furchterregenden Drachens. Oder?

Worum gehts?

Dieses Mal nicht um ein Buch. Lies trotzdem weiter. 🙂

Seit Jahren bin ich bereits der Idee verfallen, Pen & Paper Rollenspiele und/oder Tabletops könnten mir Spaß machen und so irrwitzig das klingt: Noch nie bin ich dazu gekommen, das auch mal auszuprobieren. Auf der Suche nach weiteren Möglichkeiten, etwas mit meiner Tochter (5) zu unternehmen, entdeckte ich dann schon vor einiger Zeit Michaels Idee für ein RPG für Kleine. Das Konzept ist mehr oder weniger spontan entstanden, als er einen Weg finden durfte, gleich eine ganze Horde über eine gewisse Zeit zu beschäftigen und basierte auf einer Geschichte, die er zuvor schon gemeinsam mit seinem Sohn erfunden hatte: Ritter Bogo.

Als ich seine Website entdeckte, hatte ich mich direkt drangemacht, einen süßen Charakterbogen zu entwerfen, der auf seinen Vorschlägen gründete. Vor einigen Tagen bin ich dann zufällig über ein simples 3D Design gestolpert, das dazu gedacht ist, kleine Charaktere für Tabletops auf Papier zu malen und dann dort hineinzustecken. Ich habe direkt ein paar ausgedruckt und zugleich wahllos einige Charaktere skizziert.

Ein einfacher Charakterbogen

Und heute bin ich endlich dazu gekommen, mit meiner Tochter (5) das erste Mal einen Versuch eines Pen&Paper RPG zu wagen. Während ich mit ihr zusammensaß und die Geschichte aufbaute, ist auch die dazu passende Landschaft – ganz einfach – aus Papier entstanden. Sie hat fleißig mitgeholfen und war schon Feuer und Flamme beim Ausschneiden von Bäumen und mehr. Am Ende war es übrigens keine Bauerstochter wie bei Michael, sondern die Prinzessin höchstpersönlich, die aus den Klauen des vermeintlich furchterregenden Drachen befreit werden musste. Da ich (Ritter Bogo) leider einen angeknacksten Fuß hatte, konnte ich bei dem Abenteuer nur mit Rat und weniger mit Tat zur Seite stehen und meine Tochter, die sich dazu entschieden hatte, ebenfalls eine Ritterin zu sein, begab sich ausgerüstet mit Schild, Schwert, Helm und Rüstung ins Abenteuer.

Noch mehr fürs Auge

Aus einem Sofakissen wurde ein Berg, aus ein wenig Papier der Pfad dorthin mit Abgabelungen, Büschen, Bäumen und sogar versteckten Diamanten, die später noch wichtig werden sollten (was selbst mir als “Gamemaster” zu Beginn unserer Reise noch nicht klar war).

Die Sofa-Szenerie

Beim Erwürfeln der Fähigkeiten zeigte sich bereits, dass Ritterin Elisa eher etwas tollpatschig und auch nicht gerade die stärkste aller Ritterinnen werden sollte. Dafür aber flink war, gewitzt und über ein nicht unbeträchtliches Maß an Zauberkraft verfügte. Das erklärte vermutlich auch, warum aus ihrem Schwert ständig kleine Funken sprühten…

Gleich hinter der Zugbrücke der Burg fand Ritterin Elisa direkt einen Diamanten und heimste ihn erst einmal ein.

Und zu allen Gelegenheiten kam es natürlich zu Entscheidungen und dazu passenden Proben. Es wurden Schafe aus den Händen eines Trolls gerettet… wobei sich herausstellte, dass die Schafe einfach so abgehauen waren und der Waldtroll lediglich auf sie Acht gegeben hatte #ehrentroll. Das wurde allerdings erst offenbar, nachdem Ritterin Elisa – nach einer ersten Abfuhr – einen freundlicheren Weg wählte, den Troll die Schafe abzuquatschen…

Abenteurer oder Schäfer?

Und obwohl der Schäfer – glücklich über die Rückkehr seine Schafe – ganz klar erklärte, dass der Weg zu seiner rechten direkt zum Berg des Drachen führe und der Weg zu seiner linken einen Umweg über einen See mit einer Brücke mache, entschied sich Ritterin Elisa für die Brücke… um hinter einem Busch auf dem Weg dorthin auf einen fies wirkenden Gnom zu treffen, der niemanden über die Brücke lassen wollte.

Ritter Bogo beriet Elisa über ihre Möglichkeiten, die sich sofort dafür entschied, einen Zauber anzuwenden. Geld schien für sie keine Option zu sein, obwohl sie genug davon hatte. Ohne großes Nachdenken sprach sie: “Eene meene mei, der Gnom lässt uns vorbei!”. Der Gnom tat – nach bestandener Zauberprobe – wie geheißen. Und hinter der Brücke fand sich erneut ein Diamant, der da einfach so herumlag.

Ob hier auch ein roter Hering geholfen hätte?

Besonders freute sich meine Tochter darüber, nach jeder gemeisterten Situation ein Erfolgskästchen ausmalen zu dürfen. Sowieso fand sie es klasse, das Aussehen des Spiels mit beeinflussen zu können. Sie hatte zu Beginn direkt ihre Idee von ihrem Charakter auf den Bogen gemalt und auch ihre Spielfigur um individuelle Ideen ergänzt.

Die uns zur Verfügung stehenden Figuren, die ich ja vorbereitet hatte, teilten sich übrigens auf in Ritter, Prinzessin, Zauberer und Hexe, sowie einen Abenteurer und eine Fee. Aufgrund der Gestaltung dieser Geschichte wurde dann die Fee umfunktioniert zum Drachen (O-Ton meiner Tochter: “Haben ja beide Flügel…”) und aus dem Abenteurer wurde ein Schäfer. Der Ritter wurde zur Ritterin, der Zauberer zu Ritter Bogo, die Hexe in einer Doppelrolle zum Gnom und zum Waldtroll und in der Originalbesetzung spielte die Prinzessin sich selbst. 🙂

Meine Tochter ist übrigens wirklich gewitzt. Als “Gamemaster” hatte ich ihr zuvor erklärt, dass sie natürlich nicht alles sehen kann, sondern nur die Dinge, die gerade um ihre Figur herum sichtbar sind. Dass es also auf beiden Pfaden weiter hinten Diamanten gibt, weiß ihre Figur gar nicht. Meiner Tochter war also klar, dass sie sich nicht nur für einen Weg würde entscheiden müssen, sondern dadurch in jedem Fall auch nur einen Diamanten finden würde (ich hatte insgeheim eigentlich gedacht, dass sie den zweiten Diamanten auf dem Rückweg würde finden können…).

Kaum kamen wir also auf der anderen Seite der Brücke an und fanden uns vor einem gewundenen Pfad wieder, der den Berg hinaufführte, erklärte sie mir, sie würde auf dem anderen Weg zurück in weiter Ferne etwas glitzern sehen und das noch erkunden wollen, bevor wir zum Drachen aufsteigen. Ritter Bogo wies darauf hin, dass die Zeit knapp würde und die Prinzessin so schnell wie möglich befreit werden müsse (Subtext: Das Abendbrot ist gleich fertig!). Doch Ritterin Elisa blieb standhaft: Sie entschied, ihre Schnelligkeit einzusetzen, bestand die Probe, flitzte wie ein geölter Blitz los, fand den Diamanten und war zurück, bevor Ritter Bogo mit seinem angeknacksten Fuß auch nur einen Schritt in Richtung Berg machen konnte.

Ihre Geschicklichkeit – so gering sie auch war – half dann auch, sie den schwierigen Pfad erklimmen zu lassen und auf die Frage hin, wie sie nun plane in die Festung des Drachen einzudringen, entschied sie über die Mauer springen zu wollen. Unter Einsatz von Glück gelang Ritterin Elisa zur Verwunderung Bogos zwar sogar das, sie wurde aber vom überraschten und vermutlich hauptsächlich dadurch erzürnten Drachen direkt wieder rausgeworfen (quid pro quo!).

Unter Einsatz ihrer Intelligenz fand sie daraufhin einen alternativen Weg, der über die Rückseite der Festung zu einem ungeschützten Eingang führte. Von dort konnten Bogo und Elisa den Drachen noch immer recht aufgebracht vor dem Tor auf und ab stampfen sehen, während die Prinzessin ihn – neben einem weiteren Diamanten stehend und den beiden den Rücken zugewandt – ängstlich dabei beobachtete.

Tolle Drachen-Festung. Der Hintereingang steht sperrangelweit offen…

Bogo fragte Elisa, was sie nun zu tun gedenke. Entweder mit der Prinzessin schnell abhauen, oder versuchen, den Diamanten zu schnappen… oder sogar beides. “Aber habt Acht! Schon das kleinste Geräusch könnte den Drachen aufmerksam auf uns machen.” Ritterin Elisa stand allerdings total auf Diamanten. Im nächsten Spiel frage ich sie, ob sie lieber Giana heißen möchte und die Prinzessin ist ihre Sis…

Ihr Plan lautete also wie folgt: Leise die Prinzessin hinausführen, während Bogo sich den Diamanten schnappt. Die Geschicklichkeitsprobe schlug fehl und so stolperte Bogo dank seines angeknacksten Fußes, der Drache wirbelte herum, wurde der Situation gewahr und versperrte sofort den Ausgang. Es kam zu einem Scharmützel, bei dem auch der letzte Glückspunkt nichts half, nachdem leider auch Kampfkraft und Stärke versagten. Der Drache schlug der tapferen Elisa das Schwert aus der Hand, das daraufhin im hohen Bogen und mit einem Schweif aus Funken über die Mauer der Festung flog (vielleicht steckt es nun in einem Stein… wer weiß).

Ritterin Elisa besann sich auf ihre Intelligenz und verwickelte den Drachen in ein Gespräch. Sie erklärte ihm, dass sie eigentlich gekommen seien, um die Prinzessin zu retten und unterwegs (irgendwie ist sie ins Schwafeln gekommen), sogar Diamanten gefunden hätten und (ehrlich ist sie auch) den hier auch gleich mitnehmen wollten. Normalerweise wäre das vermutlich nicht unbedingt ein Garant dafür, dass ein Drache plötzlich seine Meinung ändert… wenn nicht… ja wenn nicht… sich herausstellen würde, dass er die Prinzessin gar nicht in dem Sinne entführt hatte, sondern die meisten seiner Diamanten verloren und die Prinzessin nur geholt hatte, damit sie ihm helfen könne, sie wiederzufinden. Schließlich hätten Prinzessinnen voll die Ahnung von Diamanten (nahm der Drache an).

Es kam dann noch zu einer kleinen Verhandlung, bei der sich Ritterin Elisa dazu bereiterklärte, die Hälfte der Diamanten im Austausch gegen die nicht-wirklich-entführte Prinzessin zurückzugeben und der Drache willigte im Gegenzug dafür ein, dass er ab und zu Besuch von ihr bekäme. Denn insbesondere nachdem er durch die Zeit mit der Prinzessin erfahren hatte, dass allein zu sein doch irgendwie doof ist, würde er sich halt freuen, wenn er ab und an mal mit jemandem zusammen eine Tasse Tee trinken könne oder so.

War das Abenteuer nun beendet? Mitnichten.

Denn trotz aller überwundener Herausforderungen stellte sich zum einen heraus, dass es noch offene Erfolgskästchen gab und dass Ritterin Elisa noch ein letztes Mal ihre Courage zeigen musste. Denn sobald sie mit Bogo und der Prinzessin im Schlepptau wieder in der Burg des Königs ankam, wollte dieser voller Zorn auf den fürchterlichen Drachen eine Armee entsenden, um diesem Ungetüm endgültig den Garaus zu machen.

Ritterin Elisa stelle sich ihm tapfer in den Weg, klärte den König auf, indem sie ihm ausführlich von ihrem Abenteuer berichtete und konnte ihn damit glücklicherweise besänftigen. Der Drache blieb verschont und zur Belohnung für ihr Handeln durfte meine Tochter auch die letzten Erfolgskästchen ausmalen.

Fazit

Insgesamt haben wir uns sicher über eine Stunde lang beschäftigt und meine Tochter hatte einen Riesenspaß! Lediglich, als sie – statt mit dem Drachen – mit mir sprach, ging mit mir irgendwie der Charakter durch und ich fiel ihr mit dunkler Stimme mitten ins Wort: “ICH bin der Drache, sprich mit MIR!”. Sie hat sich dabei hart erschreckt und ich musste sie sehr schnell mit der Geschichte wieder einfangen. Das hat aber sehr gut geklappt und kurz darauf war die Prinzessin “gerettet”. 🙂

Meine Tochter ist bereits heiß auf weitere Geschichten und wenn es nach ihr geht, scheint sich als nächstes die Suche nach ihrem Schwert anzubahnen…

Falls Du also auch Kinder hast und nach weiteren Möglichkeiten für wertvolle Familienzeit suchst: Schau doch auch mal bei Michael vorbei und lass Dich von Ritter Bogo inspirieren. Unsere Abenteuer haben hiermit erst begonnen. 🙂

Auch ohne, dass das hier eine Rezension war sondern mehr ein Bericht, möchte ich auf jeden Fall für diese tolle Idee fünf Sterne vergeben!

PS3-Tipp: Journey. Der Weg ist das Ziel

journey-game-screenshot-1-bVor kurzem sah ich in einem Boulevard Magazin einen Hinweis auf ein neues PS3-Spiel. Während ich normalerweise nicht (mehr) der große Gamer bin, hat die Beschreibung dieses Spiels sofort meine Aufmerksamkeit erregt. Der Grund: Die Macher von Journey sind auch die kreativen Köpfe hinter fl0w und Flower. Den meisten Spielern werden diese Titel nichts sagen. Doch ist allen dreien ein Konzept gemein: Flow in Games.

Flow beschreibt einen Zustand, in dem man stetig vorankommt, die Zeit nahezu vergisst und alles, was um einen herum passiert kaum noch wahrnimmt. Spieleentwickler kennen das von sich, wenn sie stundenlang programmieren und nicht merken, wie die Sonne nicht nur untergegangen, sondern mittlerweile auch wieder aufgegangen ist. Sie sind im Flow.

Journey nutzt das Prinzip dahinter, um den Spieler vom ersten Augenblick an in seinen Bann zu ziehen. Niemals steckt der Spieler fest. Es gibt immer ein Ziel zu erreichen. Und ohne dass ein Handbuch mitgeliefert wird, sogar ohne, dass irgendetwas erklärt würde, ist das Spiel so gestaltet, dass man immer weiß, was als nächstes zu tun ist.

Das Spiel lässt in einem das Gefühl einer mystischen Geschichte entstehen, in mitten derer man als Protagonist die Handlung vorantreibt. Das Besondere daran: Scheinbar zufällig kommt es vor, dass man mitten im Spiel auf andere (echte) Spieler trifft. Und obwohl es zunächst scheint, dass es nicht möglich ist, mit ihnen zu interagieren, schafft es Journey dennoch, sofort ein Wir-Gefühl aufkeimen zu lassen. Es fühlt sich an, als würde man gemeinsam etwas Wichtiges tun und als passe man gegenseitig aufeinander auf. Als wäre es das Natürlichste auf der Welt, nicht als Einzelkämpfer voranzukommen, sondern den Weg gemeinsam zu beschreiten. In dieser Hinsicht lässt sich Journey am ehesten mit dem ebenfalls preisgekrönten Spiel Ico vergleichen.

Die Liebe zum optischen Detail überwältigt den Spieler immer wieder aufs Neue wenn ein weiterer Abschnitt des Weges hinter einem liegt und man sich gebannt fragt, wie es wohl weitergeht. Auf diesem Weg wird der Spieler stets von sphärischen Klängen und stimmungsvoller Musik begleitet und erfährt dabei z.T. effektvoll in Szene gesetzte Perspektivwechsel.

Aber ich will nicht zu viel verraten. Wer sich an einem ruhigen und entspannten Tag einfach mal drei, vier Stunden lang von einem Spiel begeistern lassen möchte, das mehr als primitive Action bereithält und wer erfahren möchte, was Flow in Games bedeutet, dem empfehle ich vorbehaltlos Journey. Es ist direkt im Playstation Store für 12,99 Euro zum Download erhältlich.

Ein bisschen mehr zu den Idealen hinter dem Spielprinzip und zu der Entwicklung eines solch großartigen Spieles, kann man im Interview mit Jenova Chen nachlesen.

Tipp: Am Ende angekommen, verrät einem Journey, welchen PS3 Spielern man während des Spiels begegnet ist. Es wäre sicherlich interessant, sie in die eigene Freundesliste aufzunehmen und post ludum mit ihnen über das Spiel zu chatten.