Hammer! Wie Du Dich bewegst in Deinem Outfit. Hammer! Einzigartig. Unglaublich. So oder so ähnlich klang es 2007 durch alle Radios. Für die Kids von heute: Das waren Geräte ohne Internet-Anbindung, die den Empfang linearer Audio-Sendungen erlaubten, die laufend von nicht lustigen Moderator*innen unterbrochen wurden, die sich für sehr lustig hielten.
Doch darum geht es in diesem Post nicht. Heute geht es um echte Hammer. Solche die sich zwar auch bewegen… aber bedenke den Kontext.
Los geht’s!
Als großer Bewunderer von klassischen Flügeln löste die Idee, einen solchen selbst bauen zu können, einen wahren Begeisterungssturm in mir aus. Seit einiger Zeit besitze ich einen echten, akustischen Flügel und träume nicht erst seit dem davon, mich einfach mehr mit dessen Mechanik zu beschäftigen. Aber ich bin halt kein Klavierbauer. Dass dann jemand im Internet ein 3D Druck Modell veröffentlicht hat, das ein sog. Grand Piano originalgetreu und somit voll funktionsfähig abbildet, kam daher wie ein Schicksalsruf.
Die Hammermechanik
Okay. Bevor es wirklich losgeht, grabe ich ein weiteres Mal die Hammermechanik eines echten Flügels aus.
Über den Dämpfer hatte ich im letzten Post ausführlich berichtet. Nun ist der Rest dran… und der hat es in sich. Zusammen mit dem Aufbau der Komponenten für eine einzige Taste – der Demonstration halber – kann ich nun auch davon berichten, dass ich endlich alle Teile für den Drucker gedruckt habe.
Eine Überraschung kommt dennoch zum Schluss dieses Posts. Für die Kids nochmal: Nicht vor spulen. Dranbleiben.
Im Bild kannst Du (fast) alle Teile erkennen, aus denen sich die Mechanik zusammensetzt. Es fehlt lediglich noch eine kleine Feder, die für Spannung im Hebeglied sorgt (die “Repetierfeder”) und ein Stück Filz, das um die Hammerrolle geklebt wird. Als ich das Video aufgenommen habe, war ich noch mit dem Druck aller Repetierschenkel (das weiße Teil in der Mitte) beschäftigt – aus PLA. Die Federn darunter sind nicht nur winzig, sondern auch fast die einzigen Teile, die aus PETG bestehen. Daher kamen die als letztes dran.
Aufbau
Der Aufbau dieser Mechanik ist sehr aufwändig, da für diese Komponente allein fünf Einzelteile mit zwei Metallstiften zusammengesetzt und auf zwei Längsachsen gesteckt werden müssen und zudem sechs Filz-Teile zurechtgeschnitten und verklebt werden wollen. Zwei weitere Schrauben komplettieren den Mechanismus: Eine repräsentiert die Stoßzungenpuppe und die andere die Repetierschenkelabstellschraube.
Zusammen mit der schon vorhandenen Messing-Pilote unterhalb des Hebegliedsattels und einigen anderen Komponenten bieten sie verschiedene Möglichkeiten, die Mechanik später zu regulieren. Darauf komme ich in einem späteren Post sicher noch einmal zurück.
Mehrere dieser Teile müssen von Hand nachbearbeitet werden. Das betrifft insbesondere die Bohrlöcher. Auch das Schneiden der Filzteile gestaltet sich als sehr (zeit-)aufwändig.
An dieser Stelle wurde mir aus der Community heraus die Frage gestellt, wie das Modell denn später mit der “Seilspannung” klar käme; PLA sei nicht unbedingt für seine Zugfestigkeit bekannt. Stimmt. Deshalb gibt es auch keine Saiten in diesem Modell, sondern Metallstäbe, die zur Klangerzeugung genutzt werden.
Klangerzeugung
Als Beispiel habe ich dazu mal eine Stange halbwegs zurechtgesägt und in das Modell eingesetzt. Das war auch das erste Mal, dass ich gehört habe, wie mein 3D gedrucktes Grand Piano später in etwa klingen würde!
Hier ist nun also das erste Mal zu sehen, wie es später zur Klangerzeugung kommen wird: Finger haut auf Taste. Taste setzt komplizierten Mechanismus in Gang, Hammer haut von unten gegen SUS304 Stahlstange. Ton.
Das war auch eine gute Gelegenheit, kurz zu erklären, dass das Moderator-Pedal genau aus diesem Grund leider auch zu einem optischen Feature “verkommt” ohne wirkliche Funktion.
Das Moderator-Pedal
Zur Erinnerung: Das Moderator-Pedal ist das linke von den drei Pedalen. Um dessen Funktionsweise zu verstehen, musst Du wissen, dass es in einem echten Flügel pro Ton jeweils eine, zwei oder sogar drei Saiten gibt, die gleichzeitig von einem Hammer angeschlagen werden. Dadurch ergibt sich ein vollerer Klang.
Wird nun die Klaviatur leicht nach rechts verschoben – das ist das, was beim Treten auf das Moderator-Pedal passiert – treffen die Hammer bei zwei- oder dreisaitigen Tönen nur noch auf eine, bzw. zwei der Saiten. Dadurch wird der Klang leiser und verändert sich zudem subtil, da die jeweils zweite oder dritte Saite durch Resonanzübertragung immer noch mitschwingen. Insgesamt wird der Klang dadurch etwas leiser und zugleich “dumpfer” empfunden; wobei “dumpf” an dieser Stelle nicht negativ konnotiert ist.
Sei es drum: In diesem 3D Modell gibt es keine 1, 2 oder 3 Saiten pro Ton, sondern nur jeweils einen Klangstab. Sprich: Das Moderator-Pedal hat keinen Effekt.
Aber:
Es funktioniert! Sprich: Das Pedal ist da, man kann es betätigen und ein entsprechender Mechanismus bewegt korrekt die Klaviatur.
Das ganze funktioniert über eine Hebelkonstruktion unterhalb der Klaviatur, die von dem Pedal ausgelöst wird. Damit die Klaviatur im Anschluss zurück in ihre Ausgangsposition geschoben wird, sind in diesem Modell auf der rechten Seite des Klaviaturbodens zwei Federn angebracht. In einem echten Flügel findest Du die “Una Corda” Feder fest mit dem Gehäuse verschraubt. Bilder davon siehst Du in Post 12 dieser Serie, in der ich meinen Flügel gewartet und verschiedene Aspekte mit dem 3D Modell verglichen habe.
Trotz dass diese Funktion in dem 3D Modell keine Wirkung hat – da die Hammer pro Ton auf lediglich jeweils einen Klangstab treffen – ist es krass, dass Dan sich derart viel Mühe gemacht hat, dennoch praktisch alle Aspekte eines echten Flügels mechanisch korrekt umzusetzen; so gut es halt geht.
Ein Goodie zum Abschluss
Eigentlich wollte ich damit bis zum Abschluss dieser Serie warten. Nun aber habe ich die Idee, die ich bereits zu Beginn hatte, umgesetzt und kann es einfach nicht erwarten, sie zu präsentieren!
Direkt als ich mit dem Projekt anfing, stellte ich natürlich Vergleiche mit meinem echten Flügel an. Von vielen Einzelaspekten einmal abgesehen, ist es natürlich vor allem die Größe und das Gewicht, was die beiden Instrumente voneinander unterscheidet. Und da so ein echter Flügel problemlos eine halbe Tonne wiegen kann, kann es wichtig sein, für die Unversehrtheit des Bodens Sorge zu tragen, auf dem er auf seinen drei Rollen steht. Die übertragen das Gewicht nämlich sehr punktuell und das mag so ein Parkettboden bspw. gar nicht gern.
Deshalb gibt es Rollen-Untersetzer und genau solche habe ich für meinen Flügel. Du ahnst es bereits und ich will Dich auch nicht länger auf die Folter spannen: Mit meiner neuen, digitalen Schieblehre habe ich die Maße abgenommen und so einen Untersetzer in Fusion360 nachgezeichnet. Entsprechend in der Größe herunterskaliert habe ich drei Stück davon in weiß gedruckt (wieder mit extrudr PLA NX2 White, dass Du – wie alle anderen extrudr Filamente – mit 20% Rabatt direkt bei extrudr.com bekommst, wenn Du den Code EX_THINKTWICE verwendest) und – der Optik halber – die Unterseite mit rotem Filz beklebt.
Ich liebe das Ergebnis!
Was denkst Du? Übertrieben und nur logisch, dass auch ein derart detailliert konstruiertes 3D Modell eines Flügels nur komplett mit Rollen-Untersetzer ist? Ich würde mich über Deine Gedanken dazu in den Kommentaren freuen! 🙂
Falls Du übrigens nach 15 Blog-Artikeln zu diesem 3D Modell auch damit begonnen haben solltest, den Flügel zu drucken: Meinen Untersetzer für Deine Castor Wheels findest Du kostenlos hier:
Viel Freude damit und
bis zum nächsten Post.
Hallo Christian,
dein Artikel liest sich sehr spannend! Auch wenn ich mit Technik und Mechanik so garnichts am Hut habe, ist es sehr interessant! Ich hatte früher Klavierunterricht, durfte aber nie an einem Flügel spielen.
Ich mag die Idee ubd die Umsetzung der “Flügelfüsschen”
Grüße aus dem Mausloch
Sabine
Hey Sabine,
Danke für das tolle Feedback! Bei mir wurde die Neugier irgendwann durch Interesse abgelöst und dank dieses Modells habe ich inzwischen echt viel gelernt. 😊
Ja, die „Füßchen“ sind wirklich cool geworden. 😃