u1_978-3-10-397407-2© S. Fischer Verlag


Worum geht’s?

Als die neue Regierung anordnet, dass Frauen ab sofort nicht mehr als hundert Wörter am Tag sprechen dürfen, will Jean McClellan diese wahnwitzige Nachricht nicht wahrhaben – das kann nicht passieren. Nicht im 21. Jahrhundert. Nicht in Amerika. Nicht ihr.
Das ist der Anfang.
Schon bald kann Jean ihren Beruf als Wissenschaftlerin nicht länger ausüben. Schon bald wird ihrer Tochter Sonia in der Schule nicht länger Lesen und Schreiben beigebracht. Sie und alle Mädchen und Frauen werden ihres Stimmrechts, ihres Lebensmuts, ihrer Träume beraubt.
Aber das ist nicht das Ende.
Für Sonia und alle entmündigten Frauen will Jean sich ihre Stimme zurück erkämpfen. (Quelle) [Anzeige]


Meine Meinung zum Buch

Neueren Studien zur Folge reden Frauen im Durchschnitt etwa 16.000 Wörter am Tag. Was passiert nun, wenn die Regierung dafür sorgt, dass Frauen nicht mehr als 100 Wörter am Tag sprechen dürfen? Jetzt, im 21. Jahrhundert.
Eine schreckliche Vorstellung, oder? Christina Dalcher nimmt sich in ihrem Debütroman “VOX” genau dieser Thematik an und zeichnet eine dystopische Welt, die furchterregend und gleichzeitig erschreckend realistisch ist.

Zuerst möchte ich gerne etwas zum Cover sagen, obwohl ich das in meinen Rezensionen eher selten erwähne. In diesem Fall finde ich das Cover sehr schlicht, aber äußerst aussagekräftig und das gefällt mir sehr gut. Das riesige rote X von “VOX”, das genau über dem Mund der abgebildeten Frau liegt, passt einfach perfekt zur Thematik.

Als ich begonnen hatte das Buch zu lesen, stellten sich mir drei Fragen:
1. Was genau passiert, wenn eine Frau die 100 Wörter am Tag überschreitet?
2. Wie kann die Regierung sicherstellen, dass Frauen auch wirklich nur 100 Wörter und nicht mehr sprechen?
3. Wieso “unterhalten” sich die Frauen nicht anders als verbal? Immerhin gibt es beispielsweise noch die Schriftsprache oder die Gebärdensprache.

Alle drei Fragen beantwortet die Autorin recht zügig. Und auch wenn sich dabei der ein oder andere Logikfehler eingeschlichen hat, wirkt die dystopische Welt dennoch in sich stimmig. Der Leser sollte nur nicht alles haarklein hinterfragen, sondern sich auf die Idee solch einer Welt einlassen.

Beim Lesen wurden mir recht schnell die Parallelen zum einstigen Nazi-Deutschland bewusst, was in US-Literatur allerdings nichts Ungewöhnliches zu sein scheint. Beispielsweise kommen homo- und transsexuelle Paare in Lager, um wieder “auf den rechten Weg zu finden” und “zur Besinnung zu kommen”.
Mir haben sich beim Lesen nicht nur ein Mal die Nackenhaare aufgestellt. In so einer Welt möchte ich ganz definitiv nicht leben. Jeder, der nicht männlich, gesund und heterosexuell ist, ist praktisch nichts wert und wird entweder beseitigt, zu unwürdigen Arbeiten gezwungen oder muss ein Dasein als stummes Heimchen am Herd führen.

Der ganze Roman ist aus Sicht der Protagonistin geschrieben, so dass sich ihre Gedanken und ihre Gefühlswelt vor dem Leser ausbreitet. Mich hat das Ganze ganz besonders emotional gepackt, da die Protagonistin Mutter ist und die Auswirkungen des Schweigens auf die Familie und besonders auf die kleine Tochter beschrieben wurden. Ich bin fast automatisch in die ihre Rolle geschlüpft und musste mir vorstellen, wie es mir mit meiner kleinen Tochter in so einer Welt gehen würde.

Was den Schreibstil angeht, bin ich mir nicht sicher, ob ich ihn mochte oder nicht. Grundsätzlich hatte ich keine Schwierigkeiten damit und bin auch zügig durch die Geschichte gekommen, ich hatte nur manchmal das Gefühl, dass beim Schreiben etwas ausgelassen wurde oder ich etwas überlesen habe. Es gab zwei, drei Stellen im Buch, bei denen ich plötzlich den Zusammenhang zum vorherigen Geschriebenen nicht verstanden hatte und es dann einfach so abgetan habe, ohne wirklich zu verstehen, was gerade wieso passiert ist. Irritiert hat es mich leider trotzdem, so dass ich an diesen Stellen aus dem Lesefluss gekommen bin.

Leider muss ich auch sagen, dass ich etwas enttäuscht war vom Ende. Nicht weil es schlecht aufgelöst wurde, nein, eher weil es so plötzlich und im Verhältnis zu reibungslos kam. Irgendwie fiel alles an den richtigen Platz und das wirkte mitunter etwas zu konstruiert. Beginnt die Geschichte noch gemächlich und lässt sich relativ viel Zeit, hatte ich zum Ende hin den Eindruck, dass es der Autorin nicht schnell genug gehen konnte. Im Verhältnis war der Anfang zu langsam und das Ende zu schnell.

Mir persönlich hat die Message hinter dem Ganzen allerdings sehr gut gefallen. Die Autorin zeigt nicht nur ein Mal auf, was passieren kann, wenn (in diesem Fall) Frauen zu still sind und Dinge lieber hinnehmen als sie ändern zu wollen.

Fazit

Hinter “VOX” steckt eine intelligente, sehr wichtige und auch sehr interessante Thematik, dessen Umsetzung allerdings noch etwas Luft nach oben lässt. Für einen Debütroman muss ich allerdings sagen, dass Christina Dalcher das wirklich sehr gut gemacht hat. Wenn man kleine Logikfehler hinnimmt und akzeptiert, dass es sein kann, dass man beim Lesen ab und an stolpert, dann erwartet einen ein sehr lesenswerter Roman, der nicht nur für feministische Leser geeignet ist, sondern für jeden, den eine intelligente dystopische Welt mit viel Gesellschaftskritik interessiert.

Von mir gibt es 4 von 5 Sternen.


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Titel: VOX
Reihe: /
Autor*in: Christina Dalcher
Übersetzerinnen: Marion Balkenhol, Susanne Aeckerle
Verlag: S. Fischer Verlag
Erscheinungsdatum: 15. August 2018
Format: Gebunden mit Schutzumschlag (400 Seiten)
ISBN: 978-3-10-397407-2
Preis: 20,00€

1 comment on “[Rezension] VOX von Christina Dalcher”

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